Diäten Bundestag: Warum Nebeneinkünfte dringend nötig sind

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Viele Abgeordnete stocken ihre Diäten, die sie im Bundestag erhalten, durch verschiedene Nebentätigkeiten auf. Dabei sind diese Nebeneinkünfte unabhängig von der tatsächlichen Stellung in der Partei.

1. Diäten Bundestag: Was verdient ein Bundestagsabgeordneter?

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die Diäten im Bundestag hoch sind. Dass die Abgeordneten viel verdienen und lebenslang ausgesorgt hätten, wenn sie eine Legislaturperiode überstanden hätten. Ganz so ist es nicht, daher sind Nebeneinkünfte für die Bundestagsmitglieder und ehemaligen Abgeordneten wichtig. Ein genauer Blick auf dieses Nebeneinkommen ist allerdings nicht möglich.

1.1 Was verdient ein Abgeordneter?

Wer im Bundestag tätig ist, legt sein Gehalt selbst fest, wobei das nicht allein an der tatsächlichen Leistung liegt. Kein Abgeordneter wird an seinem Verdienst für das Volk gemessen, vielmehr gibt es pauschale Regelungen zu den Diäten:

  • Das Bruttogehalt liegt bei 9.542 Euro im Monat. Die Diäten müssen noch versteuert werden.
  • Pro Monat gibt es eine Aufwandpauschale von 4.318 Euro, diese ist steuerfrei. Die Verwendung der Pauschale muss nicht belegt werden. Der Spielraum der Abgeordneten bei den Ausgaben ist groß.
  • Um ein Büro auszustatten, gibt es eine weitere Pauschale von 12.000 Euro, die gekauften Dinge könnten theoretisch auch privat benutzt werden.
  • Monatlich gibt es bis zu 20.870 Euro für das Gehalt von Mitarbeitern.
  • Pro Monat gibt es einen Aufschlag von mehreren Tausend Euro für weitere Funktionen (Ausschussvorsitzender, Bundeskanzlerin u. a.)
  • Nach einer Legislaturperiode werden 954 Euro pro Monat zusätzlich zur normalen Rente gezahlt. Der Betrag steigt je nach Dauer der Zugehörigkeit zum Bundestag.

Abgeordnete bekommen überdies die Bahncard 100, sodass sie gratis mit der Bahn unterwegs sein können. Außerdem werden Flüge, die beruflich notwendig sind, bezahlt. Das Ticket gilt dann jeweils für einen Flug Erster Klasse.

1.2 Woher bekommt ein Abgeordneter Nebeneinkünfte?

Politiker arbeiten nicht nur im Bundestag und erhalten dort ihre Diäten. Sie werden auch immer häufiger in anderen Jobs tätig, wie eine Quelle zu Nebeneinkünften zu berichten weiß. Sie arbeiten im Vorstand von Unternehmen, agieren als Unternehmensberater, Rechtsanwalt, Landwirt oder sind im Aufsichtsrat großer Konzerne zu finden. Hierfür erhalten sie ein Gehalt. Auch für Vorträge werden teils hohe Honorare gezahlt.

Wird ein Abgeordneter nicht erneut in den Bundestag gewählt, erhält er ein Übergangsgeld, das maximal für 18 Monate gezahlt wird. Es wird auf die Höhe der letzten Diäten festgesetzt.

Video: SO DREIST ERHÖHEN POLITIKER IHRE EINKÜNFTE | SAT.1 Frühstücksfernsehen | TV

1.3 Wer verdient besonders viel nebenbei?

Einige Abgeordnete verdienen wirklich viel Geld, wie die folgende Auflistung zeigt, die die Mindesteinkünfte der Politiker darstellt (Daten vom 31.07.2019, Quelle: abgeordnetenwatch.de):

  • Sebastian Brehm (Union): 1,3 Mio. Euro
  • Hans-Georg von der Marwitz (Union): 1,2 Mio. Euro
  • Carl-Julius Cronenberg (FDP): 1,1 Mio. Euro
  • Albert Stegemann (Union): 1,0 Mio. Euro
  • Enrico Komning (AfD): 760.000 Euro
  • Johannes Röring (Union): 620.000 Euro
  • Hans Michelbach (Union): 500.000 Euro
  • Peter Ramsauer (Union): 487.500 Euro
  • Olav Gutting (Union): 450.000 Euro
  • Judith Skudelny (FDP): 430.000 Euro

Interessant ist, dass bei den Topverdienern vor allem Abgeordnete aus der Union dabei sind, ansonsten sind nur noch FDP-Mitglieder und Enrico Komning aus der AfD vertreten. Allerdings sind die genannten Nebeneinkünfte nicht auf den Euro genau, denn dazu sind die Abgeordneten nicht verpflichtet. Sie müssen ihr Einkommen lediglich in Einkommensstufen von 1 bis 10 angeben, die Spanne ist dabei groß.

Allerdings handelt es sich auch nur um die Bruttoeinnahmen, wie auch Sebastian Brehm auf eine Anfrage hin erklärte. Offengelegt werde hier nur der Bruttoumsatz, es sind weder Personal- noch Sachkosten abgezogen und es handelt sich nicht um den wirklichen Gewinn. Dieser liegt beträchtlich unter diesen Angaben. Um beim Beispiel Brehm zu bleiben: Er beschäftigt laut eigener Aussage 25 Mitarbeiter und mehrere Steuerberater, damit werden zum einen die Einkünfte nicht nur von ihm allein erwirtschaftet, zum anderen müssen hohe Summen für Ausgaben wieder abgezogen werden.

Hans-Georg von der Marwitz, Johannes Röring und Albert Stegemann sind einige Abgeordnete, die ihre Einkünfte aus der Landwirtschaft beziehen. Dies ist ebenfalls ein auffälliger Punkt: Unter den Spitzenverdienern finden sich einige Landwirte, wobei auch bei ihnen gilt, dass es sich nur um die Bruttoeinnahmen handelt. Nur die wenigsten von ihnen werden selbst auf dem Traktor sitzen, daher müssen Personalkosten gestemmt werden.

Andere Politiker beziehen ihre Einkünfte zum Beispiel aus der Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter (Carl-Julius Cronenberg, Athmer OHG) oder als Gesellschafter (Hans Michelbach, MIBEG Investment International). Peter Ramsauer ist ein Beispiel für die möglichen Nebeneinkünfte aus einer Tätigkeit als Strategieberater. Gregor Gysi und Christian Lindner hingegen nehmen ihre Nebenverdienste neben den Diäten, die im Bundestag gezahlt werden, über Vortragshonorare ein.

1.4. In welchen Fraktionen gibt es die meisten Nebeneinkünfte?

Vor allem bei der Union und bei der FDP gibt es besonders viele Abgeordnete, die nicht nur im Bundestag tätig sind, sondern die auch nebenbei arbeiten. Den geringsten Anteil haben dabei die Grünen. Nicht nur zahlenmäßig, sondern auch bezogen auf das Einkommen sieht es bei den Grünen mau aus: Sie kommen mit 67 Abgeordneten auf gerade einmal 92.000 Euro an Nebeneinkünften. Die vier Abgeordneten ohne Fraktion hingegen lagen bei 395.000 Euro, wie eine Betrachtung der Spitzenverdiener zeigt (Quelle: Spiegel.de).

Wer weniger Nebeneinkünfte erzielt, arbeitet aber dennoch häufig nebenbei, denn viele Grüne sind ehrenamtlich tätig. Ihr Verdienst liegt dann unter der Bagatellgrenze von 1000 Euro. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass die Anteile derjenigen, die neben der Arbeit im Bundestag weitere Einkünfte erzielen oder wenigstens ehrenamtlich tätig sind, bei rund 90 Prozent (Union und FDP) liegt. Die SPD-Mitglieder kommen hier auf rund 80 Prozent, bei der AfD sind es ca. 50 Prozent. Die Linken sind mit knapp zwei Drittel aller nebenberuflich tätigen Mitglieder ebenfalls im oberen Bereich zu finden.

Video: NEBENEINKÜNFTE: CDU-Abgeordnete Strenz muss Ordnungsgeld zahlen

2. Welche rechtlichen Regelungen gelten?

Auch wenn manche Abgeordnete eher kritisch eingestellt und der Meinung sind, dass ihnen neben der Tätigkeit im Bundestag keine Zeit für eine Unternehmertätigkeit bliebe, sehen andere das nicht so und arbeiten fleißig nebenher. Nicht für alle ist die Arbeit als Abgeordneter ein Fulltime-Job. Kritiker hingegen sind häufig der Meinung, dass sich die Arbeit als Politiker und als Unternehmer nicht vereinbaren ließe, weil dadurch ein nicht angemessener Wettbewerbsvorteil entstünde. Der Politiker wüsste vorab Dinge, die ein anderer Unternehmer nicht wissen könnte, und würde daraus einen Vorteil ziehen. Rechtliche Einschränkungen gibt es nicht.

2.1 Dürfen Abgeordnete nebenbei arbeiten?

Das Abgeordnetengesetz sieht keine Einschränkungen vor und erlaubt es den Abgeordneten ausdrücklich, weitere Tätigkeiten auszuüben oder Funktionen zu übernehmen. Sie dürfen dafür freilich auch bezahlt werden. Dies ist nachvollziehbar, denn wer Verantwortung übernimmt und einen Betrieb weiterführt, Vorträge hält und Parteiämter übernimmt, sollte dafür eine Vergütung erhalten.

Wichtig ist jedoch immer, dass die Tätigkeit im Bundestag im Mittelpunkt steht. Das heißt, dass der Abgeordnete hauptberuflich im Bundestag arbeiten muss und dafür seine Diäten bekommt.

Nebenberufliche Tätigkeiten sind ihm generell freigestellt. Die oben bereits erwähnte Kritik daran, dass Politiker durch ihre gleichzeitige Tätigkeit als Unternehmer einen exklusiven Zugang zu politischen Entscheidungen bekommen würden, bleibt dennoch bestehen.

2.2 Wo sind die Nebeneinkünfte nachzulesen?

Die Nebeneinkünfte sind nur insofern transparent, als dass sie auf Stufen aufgeteilt veröffentlicht werden. Die Stufe 1 liegt zwischen 1000 und 3500 Euro, Stufe 10 umfasst Einnahmen von mehr als 250.000 Euro. Diese Stufen werden vom Deutschen Bundestag veröffentlicht. Ungenauigkeiten sind damit vorprogrammiert, zumal die Stufe 10 kein Limit mehr hat. Einkünfte unter der Bagatellgrenze von 1000 Euro müssen nicht gemeldet werden. Auch die Vertragspartner müssen nicht genannt werden, nur wenige Politiker nennen diese beim Namen.

Meist ist von „Mandat xy“ die Rede. So wird zwar eine Summe angegeben, die einer Einkommensstufe zugeordnet wird, zu dieser gehört aber nur ein anonymisierter Name. Die Abgeordneten haben das Recht, von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Es werden zwar immer wieder Transparenzregelungen verlangt, doch diese sind noch längst nicht anwendbar.

Der Bundestagspräsident dürfte theoretisch die Offenlegung der Vertragspartner verlangen, doch bislang wurde davon noch nie Gebrauch gemacht. Wie sich die Regelungen in Zukunft entwickeln werden, bleibt noch abzuwarten, denn die Ausführungsbestimmungen könnten demnächst ergänzt werden. Dann sollen zumindest Branchenangaben verlangt werden.

 Gregor Gysi und Christian Lindner hingegen nehmen ihre Nebenverdienste neben den Diäten, die im Bundestag gezahlt werden, über Vortragshonorare ein. ( Foto: Shutterstock- 360b)

Gregor Gysi und Christian Lindner hingegen nehmen ihre Nebenverdienste neben den Diäten, die im Bundestag gezahlt werden, über Vortragshonorare ein. ( Foto: Shutterstock- 360b)

2.3 Wie viele Abgeordnete verdienen neben den Diäten dazu?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ungefähr jeder Vierte seine Diäten im Bundestag durch Nebeneinkünfte aufstockt. Der Zuwachs betrug zuletzt 22 Prozent, eine hohe Zahl, die immer noch weiter wachsen wird. Dabei stellt sich die Frage, ob Abgeordnete aus dem Bundestag auf die Nebeneinkünfte angesichts der Höhe ihrer Diäten angewiesen sind.

Gerade jetzt in 2020 haben die Politiker trotz steigender Lebenshaltungskosten ihre automatische Erhöhung der Diäten ausgesetzt, die normalerweise im Juli stattfindet und die mehrere Hundert Euro beträgt. Diese Erhöhung wird ohne weitere Abstimmungen oder Diskussionen vorgenommen. Bedingt durch die Corona-Pandemie und den Ruf nach mehr Sozialität wurde die Erhöhung ausgesetzt. Kritiker benennen die Diäten immer noch als hoch genug.

Warum sind nun Nebeneinkünfte neben den Diäten nötig? Viele Abgeordnete sehen darin eine Absicherung. Denn es ist nie sicher, dass sie nach einer Legislaturperiode wieder in den Bundestag gewählt werden. Sollte das nicht der Fall sein, müssen die Einnahmen dennoch weiter fließen. Der gewohnte Lebensstandard soll gehalten werden, außerdem sind viele der Abgeordneten noch vergleichsweise jung und haben praktisch das halbe Arbeitsleben vor sich. Die Nebeneinkünfte werden nach dem „Ableben“ als Politiker zu Haupteinkünften, die die Familie ernähren sollen.

Sicherlich sehen einige Politiker in den Nebenverdiensten zu den Diäten eine Art Genugtuung und das Erweisen von Respekt. Ein Beispiel dafür ist Gregor Gysi, der sich selbst als einen der meist gehassten Politiker der Nachwendezeit bezeichnet. Dadurch, dass er nun zu Vorträgen geholt und auch von Kritikern beauftragt wird, seine Standpunkte darzulegen, fühlt er sich anerkannt.

Demzufolge lässt sich in den Nebeneinkünften auch ein psychologischer Ansatz finden: Viele Politiker müssen neben ihren Diäten noch etwas verdienen, um sich anerkannt und geschätzt zu fühlen.

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